Preisträgerin des Andrea Neumann-Kunstpreises 2024/2025: Claudia Pigat
15. Oktober 2024
Jörg W. Gronius Eröffnungsrede KLIMA XL Vernissage am 7. Mai 2025
8. Mai 2025
Preisträgerin des Andrea Neumann-Kunstpreises 2024/2025: Claudia Pigat
15. Oktober 2024
Jörg W. Gronius Eröffnungsrede KLIMA XL Vernissage am 7. Mai 2025
8. Mai 2025

Jörg W. Gronius

Klima XL - Eröffnungsrede zur Vernissage am 19. März 2025

Meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde des Saarländischen Künstlerhauses, liebe Kolleginnen und Kollegen, herzlich Willkommen zu unserem 40jährigen Bestehen. 40 Jahre ein Haus von Künstlern für Künstler mit Künstlern am südwestlichen Rand Deutschlands, im Zentrum Europas. Hier waltet seit 40 Jahren künstlerische Intelligenz.

Warum KLIMA XL? Klima wird aktuell großgeschrieben, XL ist die römische Zahl 40 und eine Textilgröße. Wenn man so will, ein Kalauer. XL ist keine präzise Konfektionsgröße, sondern nur ein „ungefähr“. Größer jedenfalls als klein, mittel oder groß. Extra large. Klima wird heute größer geschrieben als früher. Da redete man vom Wetter. Oder man redete nicht mal vom Wetter wie weiland die Bundesbahn. „Alle reden vom Wetter. Wir nicht.“ So das wording einer Werbekampagne 1966. Da fuhren auf Großplakaten modernste Lokomotiven durch Schnee und Eis auf den Betrachter zu.

Wir reden nun nicht nur vom Wetter, wir reden vom Klima. Leider kommt noch was dazwischen. Dazu muss ich etwas ausholen.

Meine Generation in Deutschland kennt Kriege aus Geschichtsbüchern, Filmen, Dokumentationen, der Tagesschau. Krieg ist für uns „Krieg der Sterne“, also großes Kino. Machen wir uns klar, dass wir aus der Position des Lesens und Zuschauens herausgeschossen werden in die Nähe von Krieg als Gegenwart. Nie wieder war gestern, Kriegestucht ist heute.

Tucht ist ein althochdeutsches Wort, das wir nur noch als Adjektiv kennen: tüchtig. Im Verb taugen ist es noch da. Tucht war die Tugend der Macht, der Kraft, der Entschlossenheit. Kriegstüchtig also sollen wir werden, sagt der Verteidigungsminister. Tun wir nicht so, als wüssten wir nicht, warum.

2015 war das Thema der Jubiläumsausstellung „Heldenmythen Heldentaten Heldentod“. Herfried Münckler war zu Gast und sprach von der „postheroischen Gesellschaft“. Zehn Jahre ist das her. Braucht es jetzt doch „Heldentucht“? Taugen wir zum Krieg?

Kriegestucht heißt auch Opferbereitschaft. Im Ernstfall Blut für das Land, Sterben für den Kanzler.

Das Ende der westlichen Demokratie, das Ende des Humanismus, das Ende der christlich fundierten Moral, das Ende der Empathie – erleben wir jetzt. Direkt. Live. Wir sind dabei. Wir sind nicht angewiesen auf Geschichtsbücher wie die Generationen nach uns, die von unserer Gegenwart womöglich als „Vorkriegszeit“ sprechen werden.

Alle Arbeiten der Kunst und der Literatur, die Sie hier sehen und im Katalog lesen können, sind entstanden im Geist und in der Lebenspraxis abendländischer Werte, Gedanken und Tugenden. Dazu gehören kritische Blicke, Skepsis und Kontroverse.

Nachdem nicht nur in Europa, sondern nunmehr auch in den USA, der Faschismus Raum gewinnt, müssen wir Künstler, Geistesmenschen uns fürchten. Denn die Machthaber fürchten Kunst und Literatur. In den USA werden Bibliotheken, Wörterbücher und Bildarchive gesäubert. Das kannten wir bislang nur von totalitären Diktaturen. Das Böse wächst überall. Auch das ist Klima: Klima der Angst. Wie sollen wir unsere Koffer packen, wenn wir nicht wissen, wohin?

Anselm Kiefer sagte anlässlich seiner Ausstellung in Amsterdam, die den Titel trägt: „Sag mir, wo die Blumen sind“, er empfinde die aktuellen Verhältnisse als „körperliche Bedrohung“.

Das KLIMA zum Thema unserer Jubiläumsausstellung zu machen, ist uns nicht leichtgefallen. Nachdem der Vorstand einstimmig dafür war, regten sich Skepsis und Widerstand bei manchen Kolleginnen und Kollegen. Nun haben wir 90 Arbeiten und 14 Texte, die wir in zwei Staffeln vorstellen können. Mir scheint, das Thema hat sich denn doch gelohnt.

Das Wort Klima verbindet sich heute schnell mit den Worten Krise und Katastrophe. Klimakatastrophe: „menschengemacht.“ Die Erde, die „breitbrüstige Gaia“ der griechischen Kosmogonie, die uns mit ihren Schätzen über Jahrhunderte das Leben gewährte – Öl, Kohle, Gas, Holz – erweist sich als Mörderin. CO 2, die Rache der Gaia für den Raubbau, ihre Ausplünderung durch den Menschen.

erda, terra“: Der Planet Erde hat seinen Namen durch den Menschen. Aber taugt er für die Spezies Mensch, die sich wie keine andere rasend vermehrte und noch vermehrt? Taugt er zur Aufnahme von Milliarden von Wesen, die, um sich zu ernähren und fortzupflanzen, irrsinnige Mengen an Gift und Müll produzieren?

Die Dinosaurier sind ausgestorben. Angeblich durch den Einschlag eines gigantischen Meteoriten. Lange bevor der Mensch die Erde bevölkerte. Jetzt ist es am Menschen, auszusterben. Nicht durch Einschlag aus dem All, sondern durch Selbstmord. Die Menschen der Zivilisation sind „Verbraucher“. Wir verbrauchen unseren Planeten. Wir verbrauchen uns selbst.

Zur Etymologie: Abgeleitet vom griechischen Verb klinein (neigen, beugen, anlehnen) bezeichnet Klima den Neigungswinkel der Sonne auf eine spezifische Stelle der Erde, der ursprünglich als die Länge des Tages bei der Sommersonnenwende bestimmt wird. Klima ist demnach ein „Landstrich, dessen Teile den gleichen Neigungswinkel der einfallenden Sonnenstrahlen gegen den Horizont aufweisen und somit alle in gleicher Breite liegen.“ Soviel Alt-Griechisch.

Konsultieren wir den Fremdwörter-Duden. KLIMA ist „der für ein bestimmtes geografisches Gebiet charakteristische Ablauf der Witterung.“ Aber auch der Begriff für künstlich hergestellte Luft-, Wärme- und Feuchtigkeitsverhältnisse in einem Raum. Klima bezeichnet auch eine durch bestimmte Ereignisse oder Umstände hervorgerufene Atmosphäre. Die Abläufe der globalen Witterungen geraten durcheinander. Wälder verbrennen. Inseln versinken im Meer. Flüsse überschwemmen Städte und Dörfer.

Was können wir tun?

Die Frage ist so banal wie unausweichlich. Jens Beckert hat Anfang Februar hier im Künstlerhaus sein Buch „Verkaufte Zukunft“ vorgestellt. Darin erfahren wir unter anderem die Herkunft des „individuellen Fußabdrucks“, mit dessen Reduzierung jeder Einzelne den Ausstoß von CO 2 verringern kann. Eine Werbeagentur hatte im Auftrag der Ölkonzerne diesen Begriff erfunden. Sollte heißen: nicht die Energiewirtschaft ist verantwortlich, sondern die Konsumenten. Eine Frage der Schuhgöße?

Umfassender Verzicht jedoch gefährdet die soziale und ökonomische Stabilität. Das Fazit seiner Untersuchungen: Wirtschaftswachstum geht vor Klimaschutz.

Klima entsteht durch Beziehungen zwischen Personen, Gruppen, Staaten. Dabei sprechen wir auch von einem politischen Klima. Das hat sich weltweit aktuell spürbar verschlechtert, von der Krise zur womöglich bevorstehenden Katastrophe.

Das Klima im Saarländischen Künstlerhaus ist weitgehend frei von Katastrophen. Wir arbeiten zusammen, sind gemeinsam und jeder für sich produktiv. Ich leihe mir an dieser Stelle den Titel der aktuellen Ausstellung von Armin Rohr in der Stadtgalerie Neunkirchen: „Aller Vergeblichkeit zum Trotz singe ich weiter mein Lied. Über Anomalien, Zufälle und Wahrscheinlichkeiten“. Danke, Armin.

Auch wir Poeten haben zum Jubiläum beigetragen. Unsere Texte werden im Katalog erscheinen und werden gelesen am 10. April und am 15. Mai, jeweils um 19 Uhr in diesen Räumen.

Dazu gibt es „halbe fünf“ Nachmittage mit Hannah-Sofie Schäfer, Eve Guerrier und Alwin Alles.

Damit komme ich zum Danken. Dank allen, die dieses Jubiläum, diese Ausstellung geplant, vorbereitet und gebaut haben. Dank an Sandra Elsner und Katja Hanus, Dank an Chloë Gabbar und Bernd Nixdorf, an Jonas Purdue. Dank an alle Künstlerinnen und Künstler, Autorinnen und Autoren, die sich beteiligt haben.

Bevor ich jetzt allen einen schönen, aufschlussreichen Abend wünsche, noch ein Satz.

Was immer in nächster, naher oder fernerer Zeit auf uns zukommt – bleiben wir beisammen!

Jörg W. Gronius