Jörg W. Gronius Eröffnungsrede KLIMA XL Vernissage am 19. März 2025
17. April 2025
Jörg W. Gronius Eröffnungsrede KLIMA XL Vernissage am 19. März 2025
17. April 2025

Jörg W. Gronius

Klima XL - Eröffnungsrede zur Vernissage am 7. Mai 2025

In der Pop-Musik gilt der Satz: „Das zweite Album ist das schwerste.“ Eine zweite Eröffnungsrede zum selben Anlass, jedoch mit anderen Arbeiten. Das Thema bleibt, dennoch will ich weder das Publikum noch mich selbst mit Wiederholungen langweilen. Doch schon gleich zu Anfang komme ich ohne Wiederholung nicht aus.

Meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde des Saarländischen Künstlerhauses, liebe Kolleginnen und Kollegen, herzlich Willkommen zur zweiten Staffel unserer Mitgliederausstellung anlässlich des 40jährigen Bestehens. 40 Jahre ein Haus von Künstlern für Künstler mit Künstlern am südwestlichen Rand Deutschlands, im Zentrum Europas. Hier waltet seit 40 Jahren künstlerische Intelligenz.

Warum KLIMA XL? Klima wird aktuell großgeschrieben, XL ist die römische Zahl 40 und eine Textilgröße. Wenn man so will, ein Kalauer. XL ist keine präzise Konfektionsgröße, sondern nur ein „ungefähr“. Größer jedenfalls als klein, mittel oder groß. Extra large. Klima wird heute größer geschrieben als früher.

Was garantiert das Leben auf der Erde? Wasser. 71 Prozent der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt. Aber das Wasser bleibt nicht in den Meeren. Es zirkuliert. Es verdampft, verdichtet sich zu Wolken. Aus denen fällt das Wasser als Regen oder Schnee wieder auf die Erde. Dieser Wasserzyklus ist einmalig. So einmalig wie das Leben, das sich ihm verdankt. Auf keinem uns bekannten Himmelskörper gibt es einen Wasserzyklus. Wasser gibt es, wenn überhaupt auf anderen Planeten, nur in gefrorener Form. Der Wasserzyklus ist der fundamentale Prozess des Klimas und Grundbedingung des Lebens der Pflanzen, Tiere und Menschen.

Die letzteren sind dabei, das Leben auf der Erde zu gefährden. Wird die Klimakrise zur Klimakatastrophe?

KLIMA ist nicht überall auf der Erde gleich. Kontinentalklima, tropisches und subtropisches Klima, Wüstenklima. Klima ist „der für ein bestimmtes geografisches Gebiet charakteristische Ablauf der Witterung.“ Aber auch der Begriff für künstlich hergestellte Luft-, Wärme- und Feuchtigkeitsverhältnisse in einem Raum.

Lassen Sie mich in meiner zweiten Eröffnungsrede über den Begriff des Raumes nachdenken.

Volk ohne Raum“ war der Titel eines kolonialistischen Romans von Hans Grimm, erschienen 1926. Sein Titel wurde zum Schlagwort der Angriffskriege der Nazis. Im Osten, in Polen, Russland, der Ukraine sollte neuer Lebensraum für das deutsche, das Herrenvolk, erobert werden. Hätten wir es für möglich gehalten, dass ein Kolonialismus im 21. Jahrhundert wieder aufersteht?

Nach verlorenem Ersten Weltkrieg, nach Inflation, Hunger und Elend versprach der deutsche Kaiser seinem Volk einen „Platz an der Sonne“. Die afrikanische Erde, Schauplatz des Romans, bot Diamanten. Reichtum ohne Ende.

Jetzt haben wir – man konnte sich das lange nicht vorstellen – einen amerikanischen Kaiser. Die USA, sollte man meinen, seien für ihn doch groß genug. Doch der Kaiser Donaldus Trumpus Nero braucht neue Räume.

In dem Maße, wie Trump äußere Räume beansprucht (Grönland, und danach womöglich Dänemark, Kanada), schränkt er innere ein. In dem Maße wie Trump und seine Clique Raum gewinnt, müssen wir Künstler, Geistesmenschen uns fürchten. Denn die Machthaber fürchten Kunst und Literatur. In den USA werden jetzt Bibliotheken, Wörterbücher und Bildarchive gesäubert. Das kannten wir bislang nur von totalitären Diktaturen. Trump geht noch weiter und schafft mit seinem überdimensionierten Filzstift das Bildungsministerium ab. Ende der Kultur. Trump schafft Leerräume. Ein Filzstift in der Hand eines Irren an der Macht kann eine furchtbare Waffe sein. Das Land, das Europa einst vom Faschismus befreite, taumelt gegenwärtig in eine totalitäre Diktatur.

Der ungarische Schriftsteller Sàndor Màrai nannte den Faschismus „die Herrschaft der Unbegabten“. Die wollten eben auch mal ran. Der Neid der Dummen auf die Begabten ist evident. Aus Neid wird Rache.

Das Böse wächst überall. Auch das ist Klima: Klima der Angst. Freiräume, Räume des Denkens werden global kleiner. Wie sollen wir unsere Koffer packen, wenn wir nicht wissen, wohin?

Sonne und Diamanten waren früher. Der Anspruch Trumps auf Grönland und Kanada zielt auf Bodenschätze wie seltene Erden für Mobiltelefone und E-Autos, aber auch auf kriegsplanerische Positionen in der Arktis. Die Polkappen, die Eisberge schmelzen ab. Das bedeutet erweiterte Fahrrinnen für Schiffe aller Art. Dazu gehören Flugzeugträger, Kanonenboote und was es da sonst noch so alles gibt. Der alte Kampf der Westmacht gegen die Ostmacht: Wer erster da ist. Noch hat der Osten die Nase vorn.

Willkommen zum Wetter. Zurück zum Klima.

Von Jens Beckert haben wir gehört, welche Preise für den Schutz des Klimas zu zahlen sind. Die klimafreundlichen E-Autos brauchen Lithium, das unter unmenschlichen Bedingungen gewonnen wird. Wohin übrigens mit den Propellern ausgedienter Windkraftanlagen? Die verschleißen sich ja auch im Lauf der Zeit. Haben Sie diese Dinger mal am Boden gesehen? Ein Flügel ist länger als ein ICE-Waggon. Klimaschutz hat Preise, die wir noch nicht ausgerechnet haben.

Ob in Amerika oder in Europa, nicht zuletzt in Deutschland: die Unbegabten gewinnen an Macht und an Räumen. Wo sind in den USA die Demokraten, Künstler, Intellektuellen? Wo sind die Begabten? Wann schaffen sie sich endlich Raum? Harvard ist womöglich ein erster Lichtblick.

Hier jedenfalls, im Saarländischen Künstlerhaus, ist ein Treffpunkt der Begabten. Wir beanspruchen diesen Raum. Wir beleben diesen Raum. Unsere Arbeit – ob Bild oder Wort – geht mit ihrer Wirkung über diesen Raum hinaus. (Das ist zumindest unser Wunsch.)

Auch im übertragenen Sinn brauchen wir Räume: Freiräume. Kunst und Literatur sind nichts wert ohne Experimente, ohne Risiken, ohne Mut. Ja, die Angst ist da.

Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Hölderlins Vers ist optimistisch. Ist Hölderlin an seinem Optimismus irre geworden? Optimismus, sagte Heiner Müller, ist Mangel an Information. Über Informationsmangel können wir uns im Medienzeitalter nicht beklagen. Womöglich aber an mangelndem Selbstbewusstsein.

Ein Kunstwerk wird betrachtet. Erst mit dem Betrachter entfaltet es seine Wirkung. Ob die Wirkung eine anziehende ist oder eher eine abstoßende, hängt vom Betrachter ab. In jedem Fall entsteht zwischen Werk und Blick ein Raum. Man sagt bisweilen, Kunstwerke haben eine Aura. Das klingt altmodisch und nach Michelangelo oder Rembrandt. Aber denken Sie an die Aktionen eines Joseph Beuys, an die Großinstallationen eines Anselm Kiefer. Oder an die Unschärfen und Abstraktionen eines Gerhard Richter.

Ach Quatsch! Sehen Sie sich einfach in unserer Ausstellung um. Jedes unserer Bilder, Objekte und Installationen schafft zwischen Ihnen und sich einen Raum. Jeder dieser Räume wird, wenn Sie es zulassen, sein eigenes Klima entfalten. Spannung, Berührung, Abwehr oder Zuwendung. Empörung. Setzen Sie sich dem aus. Dafür ist die Kunst da. Dafür arbeiten wir.

Bilder, Skulpturen, Installationen, Fotos, Videos. Literatur: im Katalog finden Sie Texte zu „Klima XL“. In der Reihe Topicana erscheinen Romane, Geschichten, Gedichte. Im Saarländischen Künstlerhaus leben Geist und Kultur des Saarlandes. Jedenfalls setzen wir Denken und Gefühle in Gang. Und wenn der Autist Musk posaunt, Empathie schade der Wirtschaft, dann trompeten wir dagegen: Empathie ist in der Kunst unverzichtbar.

Auch zum Schluss wiederhole ich mich. Ich komme zum Danken. Dank allen, die dieses Jubiläum, diese zweistufige Ausstellung geplant, vorbereitet und gebaut haben. Dank an Sandra Elsner und Katja Hanus, Dank an Chloë Gabbar und Bernd Nixdorf, an Jonas Purdue. Dank an alle Künstlerinnen und Künstler, Autorinnen und Autoren, die sich beteiligt haben.

Wir nehmen Raum ein. Ich wiederhole mich nochmal: mit künstlerischer Intelligenz. Das soll so bleiben – komme, was da wolle.